Umbrüche haben mit Veränderungen und mit Kontrasten zu tun. Umbrüche können schleichend passieren, sodass sie anfangs gar nicht als solche erkennbar sind. Oder es gibt ein plötzliches Ereignis, das alles Bestehende infrage stellt. Wie ein schleichender Umschwung in einen heftigen Umbruch mündet, zeigt meine fotografische Arbeit „Verfremdung“, die ich am 1. September vergangenen Jahres in Chemnitz aufgenommen habe.
AfD und Pegida hatten zu einem „Schweigemarsch“ aufgerufen, um dem getöteten Daniel H. zu gedenken. In den Tagen unmittelbar nach der Tat war die Situation in der Stadt mit rechtsextremen Krawallen mehr als aufgeheizt. Ich verfolgte die Geschehnisse intensiv und teilweise ungläubig. Dass sich die Stimmung in Deutschland seit dem Herbst 2015 in Teilen der Gesellschaft in eine fremdenfeindliche Richtung entwickelt hatte, war offensichtlich. Dass es aber solche Eskalationen geben könnte, machte mich sprachlos.
Um meine Sprachlosigkeit zu überwinden, musste ich nach Chemnitz reisen. Ich wollte dort etwas ausrichten – auf eine fotografische Weise. Meine Serie, die aus fünf Bildpaaren besteht, zeigt die spannungsgeladene Atmosphäre an einer Kreuzung, an der die Polizei eine mögliche Eskalation befürchtete.